Das Tao Te King ▶︎ ▶︎ von Lao Tse ▶︎ ▶︎ 1 ▶︎ ▶︎ Das Unaussprechliche, über das man redet, ist nicht das ewige Unaussprechliche ▶︎ ▶︎ Eine Name für das Unnennbare ist nur ein Name ▶︎ ▶︎ Das Unnennbare ist das, was Alles ist ▶︎ ▶︎ Dadurch, den Dingen einen Namen zu geben, wird das Unteilbare verteilt ▶︎ ▶︎ Nur wer alle Begierden aufgegeben hat, kann das Unverteilte erfahren ▶︎ ▶︎ Wer doch Verlangen hegt, erfährt nur Uneinigkeit ▶︎ ▶︎ Eigentlich sehen beide die gleiche Wirklichkeit, aber erfahren die Wirklichkeit anders ▶︎ ▶︎ Wer von der falschen Wirklichkeit in die andere geht, ▶︎ ▶︎ Passiert das enge Tor nach dem Geheimnis des wahren Lebens ▶︎ ▶︎ 2 ▶︎ ▶︎ Wenn Menschen Dingen schön finden, müssen sie andere Dingen doch hässlich finden ▶︎ ▶︎ Wenn Menschen Dingen gut nennen, müssen Sie andere doch böse nennen ▶︎ ▶︎ Aus der Wirklichkeit schaffen sie eine Scheinwirklichkeit ▶︎ ▶︎ Schwierig und einfach sind relativ ▶︎ ▶︎ Lang und kurz sind abhängig von einander ▶︎ ▶︎ Hoch und niedrig werden bestimmt durch einen Standpunkt ▶︎ ▶︎ Klang und Stimme hängen von einander ab ▶︎ ▶︎ Vorn und hinten setzen einen Blickpunkt voraus ▶︎ ▶︎ Wer weise ist, handelt deshalb ohne Absicht ▶︎ ▶︎ Und bestimmt nicht, was andere tun müssen ▶︎ ▶︎ Er lässt alles geschehen, wie es geschieht und gehen, wie es geht ▶︎ ▶︎ Er betracht, was er tut, nicht als eigenen Verdienst ▶︎ ▶︎ Und gerade dadurch ist er lobenswert ▶︎ ▶︎ 3 ▶︎ ▶︎ Wenn man Menschen rühmt wegen ihren Leistungen, werden die Menschen wetteifern gehen ▶︎ ▶︎ Wenn man Dinge kostbar nennt, werden die Menschen sie stehlen gehen ▶︎ ▶︎ Wenn man begehrenswerte Dinge zur Schau trägt, werden die Menschen unruhig davon ▶︎ ▶︎ Darum hält der Weise es für seinen Auftrag, ihre Köpfe zu leeren, ▶︎ ▶︎ Dafür zu sorgen, dass sie keinen Hunger haben, ▶︎ ▶︎ Ihren Ehrgeiz zu entmutigen und ihre Körper zu stärken, ▶︎ ▶︎ Damit die Menschen ohne Begierden und ohne Sucht nach Kenntnis sein sollen ▶︎ ▶︎ Und die Wissenschaftler nicht die geringste Chance bekommen ▶︎ ▶︎ Wenn die Menschen nicht mehr arbeiten sollen ▶︎ ▶︎ Werden alle in Frieden leben ▶︎ ▶︎ 4 ▶︎ ▶︎ Was das Geschaffene instand hält, ▶︎ ▶︎ Ist wie ein leeres Fass, das unerschöpflich ist ▶︎ ▶︎ Es ist wie grundlose Leere, die die ganze Schöpfung füllt ▶︎ ▶︎ Ihre Schärfe macht Rundungen ▶︎ ▶︎ Ihr Winkel lösen auf ▶︎ ▶︎ Es mäßigt sein Licht ▶︎ ▶︎ Es bändigt seine Berührung ▶︎ ▶︎ Wie pur und still scheint es zu bleiben, wie tiefes Wasser ▶︎ ▶︎ Ich weiß nicht wodurch es hervorgebracht wird ▶︎ ▶︎ Es ist, als wäre es noch älter als das, wodurch es hervorgebracht wurde ▶︎ ▶︎ 5 ▶︎ ▶︎ Die Schöpfung tut nicht liebenswürdig ▶︎ ▶︎ Sie behandelt alle Dingen unparteiisch ▶︎ ▶︎ Wer weise ist, tut nicht liebenswürdig ▶︎ ▶︎ Für ihn sind alle Menschen gleich ▶︎ ▶︎ Das Universum ist wie ein Blasebalg ▶︎ ▶︎ Obwohl leer, füllt es unablässig ▶︎ ▶︎ Je stärker es arbeitet, desto mehr es hervorbringt ▶︎ ▶︎ Je mehr man darüber versucht zu reden ▶︎ ▶︎ desto ermüdeter man dadurch wird ▶︎ ▶︎ Halte dich darum doch an das worum es echt geht ▶︎ ▶︎ 6 ▶︎ ▶︎ Der Geist der Tiefe stirbt niemals ▶︎ ▶︎ Man nennt ihn ja die große Mutter ▶︎ ▶︎ Das Tor, wodurch er bläst, ▶︎ ▶︎ Ist das Fundament der Schöpfung ▶︎ ▶︎ Ewig und ewig scheint das zu bestehen ▶︎ ▶︎ Wenn man sich darauf verlässt ist das Leben mühelos ▶︎ ▶︎ 7 ▶︎ ▶︎ Das Universum ist immerwährend ▶︎ ▶︎ Der Grund warum es immerwährend ist, ▶︎ ▶︎ Ist weil es nicht für sich selbst besteht ▶︎ ▶︎ Darum kann es andauern ▶︎ ▶︎ Darum verhält sich der Weise wie der mindeste ▶︎ ▶︎ Er ist frei und darum behalten ▶︎ ▶︎ Könnte es nicht so sein, dass er vollkommen ist ▶︎ ▶︎ Gerade weil er uneigennützig ist? ▶︎ ▶︎ 8 ▶︎ ▶︎ Der vollkommene Mensch ist wie das Wasser, ▶︎ ▶︎ Das zu Gunsten kommt an alle Dinge und mit nichts wetteifert ▶︎ ▶︎ Es verbleibt auf Plätzen, die durch andere verachtet werden ▶︎ ▶︎ Aber auf diese Weise folgt es seiner Natur ▶︎ ▶︎ Wer weise ist, liebt in seinem Herzen die Einfachheit ▶︎ ▶︎ In seinem Kontakt mit anderen ist er liebenswürdig ▶︎ ▶︎ In seine Worten vertrauenswürdig ▶︎ ▶︎ In seinem Führen ist er friedliebend ▶︎ ▶︎ In dem, was er tut, ist er befähigt ▶︎ ▶︎ Er tut alles im Moment, da es geschafft werden muss ▶︎ ▶︎ Er macht keinen Krach ▶︎ ▶︎ Und darum ist er tadellos ▶︎ ▶︎ 9 ▶︎ ▶︎ Es ist besser ein leeres Fass zu tragen, als ein volles Fass ▶︎ ▶︎ Schleife ein Messer messerscharf und es wird nicht lange halten ▶︎ ▶︎ Wenn ein Hause gefüllt ist mit Kostbarkeiten, ist es nicht zu bewachen ▶︎ ▶︎ Wenn Reichtum und Ehrgeiz hochmütig machen, führt es zum Fall ▶︎ ▶︎ Wenn Ruhm und Erfolg dich bedrängen, ziehe dich zurück ▶︎ ▶︎ Das ist der einzige Weg zur Glückseligkeit ▶︎ ▶︎ 10 ▶︎ ▶︎ Kannst du deinen Kopf leer machen und bleibend aufgehen im All? ▶︎ ▶︎ Kannst du leben nach deiner Natur und wieder werden wie ein Kind? ▶︎ ▶︎ Kannst du die Türen der Wahrnehmung reinigen und wieder klar sehen? ▶︎ ▶︎ Kannst du alle deine Mitmenschen lieben und der Menschheit uneigennützig dienen? ▶︎ ▶︎ Kannst du durch das enge Tor mühelos ein und ausgehen? ▶︎ ▶︎ Kannst du in der Welt, aber nicht von der Welt sein? ▶︎ ▶︎ Kannst du einsehen, dass du nichts wissen kannst und dadurch alles begreifen kannst? ▶︎ ▶︎ Die Natur bringt alles hervor und nährt alles ▶︎ ▶︎ Sie bringt hervor und besitzt nichts ▶︎ ▶︎ Sie tut alles uneigennützig und verlangt nichts davon zurück ▶︎ ▶︎ Sie führt, aber fordert nichts ▶︎ ▶︎ Das ist, was man das Unergründliche der Natur nennt ▶︎ ▶︎ 11 ▶︎ ▶︎ Dreißig Speichen vereinigen sich in der Nabe ▶︎ ▶︎ Aber das Rad ist nur zu benutzen, durch das leere Loch in der Nabe ▶︎ ▶︎ Ton wird geformt zu Fässern ▶︎ ▶︎ Aber die Brauchbarkeit wird bestimmt durch die leere Höhle ▶︎ ▶︎ Bei dem Bau eines Hauses werden in den Mauern Türen und Fenster ausgespart ▶︎ ▶︎ Aber von dem leeren Raum hängt die Brauchbarkeit des Hauses ab ▶︎ ▶︎ Darum ist das, was ist, nützlich ▶︎ ▶︎ Aber der Raum macht es brauchbar ▶︎ ▶︎ 12 ▶︎ ▶︎ All die künstlichen Farben blenden die Augen ▶︎ ▶︎ All die angefertigte Musik macht die Ohren taub ▶︎ ▶︎ All die verschiedenen Geschmäcker stumpfen den Geschmack ab ▶︎ ▶︎ Pferderennen und Jagdpartien machen die Menschen irrsinnig ▶︎ ▶︎ Die Sucht nach kargen Güter ▶︎ ▶︎ Behindert das Gehen auf dem rechten und einfachen Pfad ▶︎ ▶︎ Wer weise ist, genügt sich, zu nähren ▶︎ ▶︎ Und belästigt seine Augen nicht ▶︎ ▶︎ Darum tut er das Eine und lässt das Andere ▶︎ ▶︎ 13 ▶︎ ▶︎ Hüte dich vor Dankbarkeit und Kritik ▶︎ ▶︎ Ehre und Missgeschick sind genauso unheilvoll wie das Haben eines Charakters ▶︎ ▶︎ Was heißt das, ▶︎ ▶︎ Hüte dich vor Dankbarkeit und Kritik? ▶︎ ▶︎ Nimm dich in Acht vor Dankbarkeit, denn sie geht hervor aus Untertänigkeit ▶︎ ▶︎ Nimm dich in Acht vor Kritik, denn sie geht hervor aus Übermacht ▶︎ ▶︎ Hüte dich darum vor Dankbarkeit und Kritik ▶︎ ▶︎ Was bedeutet, dass Ehre und Missgeschick genauso unheilvoll sind wie das Haben eines Charakters? ▶︎ ▶︎ Uns treffen große Katastrophen, weil wir etwas zu verlieren haben ▶︎ ▶︎ Wenn wir nichts zu verlieren haben sollten, welche Katastrophen würden uns treffen können? ▶︎ ▶︎ Darum: Denen, die sich selbst für ebenso wertvoll halten, wie die Welt ▶︎ ▶︎ Kann man die Welt anvertrauen ▶︎ ▶︎ Und denen, die sich selbst und die Welt ebenso bedingungslos lieben, ▶︎ ▶︎ Kann man die Sorge für die Welt überlassen ▶︎ ▶︎ 14 ▶︎ ▶︎ Wir schauen danach und wir sehen es nicht und wir nennen es das Unsichtbare ▶︎ ▶︎ Wir lauschen darauf und wir hören es nicht und wir nennen es das Unhörbare ▶︎ ▶︎ Wir tasten danach und wir berühren es nicht und wir nennen es das Unberührbare ▶︎ ▶︎ Das Unsichtbare, das Unhörbare und das Unberührbare fließen zusammen in das Eine ▶︎ ▶︎ Es gibt kein Licht, wenn es aufgeht ▶︎ ▶︎ Es gibt kein Dunkel, wenn es untergeht ▶︎ ▶︎ Unablässig, andauernd, aber es ist nicht in Worten auszudrücken ▶︎ ▶︎ Und es kehrt zurück bis zum Nichts ▶︎ ▶︎ Das nennt man unbestimmt und ungreifbar ▶︎ ▶︎ Von vorne sieht man es nicht ▶︎ ▶︎ Von hinten sieht man es nicht ▶︎ ▶︎ Wer nach dem ursprünglichen Gewissen lebt, lebt im Heute ▶︎ ▶︎ Und begreift alles, was jemals gewesen ist ▶︎ ▶︎ Das heißt "leben nach der Natur" ▶︎ ▶︎ 15 ▶︎ ▶︎ Die Weisen von einst waren tief und scharfsinnig ▶︎ ▶︎ Man fand sie unergründlich ▶︎ ▶︎ Weil sie unergründlich waren, werde ich versuchen ihre Lebensweise zu skizzieren ▶︎ ▶︎ Sie schienen behutsam wie Menschen, die einen winterlichen Fluss hinübergehen ▶︎ ▶︎ Sie schienen unschlüssig, als ob überall rundum Gefahr drohte ▶︎ ▶︎ Sie schienen würdig, als ob sie Gäste waren ▶︎ ▶︎ Sie schienen natürlich wie rohes Holz ▶︎ ▶︎ Sie schienen leer wie ein Tal ▶︎ ▶︎ Sie schienen undurchsichtig wie trübes Wasser ▶︎ ▶︎ Wie kann man schlammiges Wasser klar machen? ▶︎ ▶︎ Durch Ruhe wird der Schlamm sich absetzen und das Wasser wird klar werden ▶︎ ▶︎ Lass alles geschehen, wie es geschieht und du wirst zur Ruhe kommen ▶︎ ▶︎ Der Kopf des Weisen ist leer. Er sucht nichts und erwartet nichts ▶︎ ▶︎ Er ist leer, ist ewig jung und nicht von der Zeit ▶︎ ▶︎ Er ist vollkommen ▶︎ ▶︎ 16 ▶︎ ▶︎ Wer einen leeren Kopf hat, ist zufrieden, wer zufrieden ist, hat einen leeren Kopf ▶︎ ▶︎ Alle Lebewesen strengen sich an und kommen wieder zu Ruhe ▶︎ ▶︎ Alle Gewächse wachsen auf bis zur Reife und kommen dann zur Ruhe ▶︎ ▶︎ Die schließliche Ruhe nennen wir "fertig sein", Vollendung ▶︎ ▶︎ Die Rückkehr zur Natur ist das ewige Leben ▶︎ ▶︎ Das Leben im Heute heißt "aufgeklärt sein" ▶︎ ▶︎ Wer nicht aufgeklärt ist, lebt in Verwirrung und Elend ▶︎ ▶︎ Wer nach seiner Natur lebt, begreift alles und ist duldsam ▶︎ ▶︎ Wer duldsam ist, ist gerecht ▶︎ ▶︎ Wer gerecht ist, ist königlich ▶︎ ▶︎ Wer königlich ist, ist göttlich ▶︎ ▶︎ Wer göttlich ist, kennt sich selbst ▶︎ ▶︎ Wer sich selbst kennt, hat das ewige Leben ▶︎ ▶︎ Wer das ewige Leben hat, fürchtet sich nicht vor dem Tod ▶︎ ▶︎ 17 ▶︎ ▶︎ Über die Weisen von einst wussten die Menschen nur, dass sie bestanden ▶︎ ▶︎ Später liebten und bewunderten sie sie ▶︎ ▶︎ Noch später hatten sie Angst vor ihnen ▶︎ ▶︎ Und schließlich wurden die Weisen durch die Menschen verachtet ▶︎ ▶︎ Wer sich selbst nicht traut, traut auch anderen nicht ▶︎ ▶︎ Wie bedächtig waren die ersten mit ihren Worten ▶︎ ▶︎ Sie verfuhren so vorsichtig, dass wenn sie fertig waren, ▶︎ ▶︎ Die Menschen dachten, dass sie es selbst geschafft hatten ▶︎ ▶︎ 18 ▶︎ ▶︎ Als die Menschen abwichen von sich und der Natur, ▶︎ ▶︎ Wurde freundlich und gerecht sein ein Verdienst ▶︎ ▶︎ Kenntnis und Schlauheit hielten ihren Einzug und die Lüge regierte ▶︎ ▶︎ Angehörige kamen mit einander in Hader und Lieben wurde eine Pflicht ▶︎ ▶︎ Wenn die Menschheit und die Familien in Verwirrung geraten ▶︎ ▶︎ Wird Treue ein Gebot ▶︎ ▶︎ 19 ▶︎ ▶︎ Entäußere dich von weltlicher Kenntnis und Schlauheit ▶︎ ▶︎ Und es wird der Menschheit nur zugunsten sein ▶︎ ▶︎ Höre auf, liebenswürdig und gerecht zu tun, aber sei es ▶︎ ▶︎ Dann werden die Menschen einander bedingungslos lieben ▶︎ ▶︎ Entäußere dich von der Arbeit ihrer Hände und dem Dienen deines Eigennutzes ▶︎ ▶︎ Und da werden keine Diebe und Räuber mehr sein ▶︎ ▶︎ Aber diese drei Dingen sind noch nicht genug! ▶︎ ▶︎ Worum es wirklich geht, ist die Rückkehr zur Einfachheit ▶︎ ▶︎ Das Aufgeben deines Egoismus und nichts mehr zu wollen ▶︎ ▶︎ 20 ▶︎ ▶︎ Wenn du dir abgewöhnst, was du erlernt hast, wirst du ohne Sorgen sein ▶︎ ▶︎ Dass nur wenig Unterschied besteht zwischen "ja" und "ja aber", ▶︎ ▶︎ Dass ein großer Unterschied besteht zwischen Gut und Böse, ▶︎ ▶︎ Dass man Angst vor dem haben muss, vor dem andere Angst haben: ▶︎ ▶︎ Was ein endloser Quatsch ▶︎ ▶︎ Jeder ist unruhig und aufgeregt, als ob sie ein Fußballspiel anschauen ▶︎ ▶︎ Nur ich bin ruhig und entspannt und ich brauche und verlange nichts, wie ein kleines Kind ▶︎ ▶︎ Ich hänge an nichts mehr und brauche nicht mehr irgendwohin zu gehen ▶︎ ▶︎ Die anderen besitzen schon soviel und wollen noch mehr ▶︎ ▶︎ Nur ich scheine alles verloren zu haben ▶︎ ▶︎ Sie denken, dass ich verrückt und verwirrt bin ▶︎ ▶︎ Die Menschen scheinen klug und intelligent ▶︎ ▶︎ Und meinen, dass ich albern und einfältig bin ▶︎ ▶︎ Es scheint, als ob ich wetterwindisch bin und nirgendwo Ruhe finde ▶︎ ▶︎ Die anderen scheinen soviel zu wissen ▶︎ ▶︎ Und für sie bin ich ein schroffer Bauer ▶︎ ▶︎ Nur ich bin anders, weil ich meiner Natur nach lebe ▶︎ ▶︎ 21 ▶︎ ▶︎ Ein tugendhaftes und glückseliges Leben ist nur erreichbar, wenn du deinem Gewissen folgst ▶︎ ▶︎ Das Gewissen ist unsichtbar und ungreifbar. Wie kann man ihm dann folgen? ▶︎ ▶︎ Es spricht in Bildern, wie Schatten in der Dämmerung ▶︎ ▶︎ Aber wie dumpf und finster ▶︎ ▶︎ Das Gewissen ist verborgen, aber trägt das Wesentliche von allem in sich ▶︎ ▶︎ Die wirkliche Lebenskraft verbirgt sich im Gewissen ▶︎ ▶︎ Alles was die Menschen eigentlich doch wissen, trägt das Gewissen in sich ▶︎ ▶︎ Von Anfang an ist es immer gewesen, unter zahllose Namen ▶︎ ▶︎ Das Gewissen unterscheidet die Wahrheit von der Lüge ▶︎ ▶︎ Wie weiß ich, dass es so ist? ▶︎ ▶︎ Das hat mein Gewissen mir erzählt ▶︎ ▶︎ 22 ▶︎ ▶︎ Uneinigkeit wird Einigkeit ▶︎ ▶︎ Das Krumme wird gerade ▶︎ ▶︎ Das Leere wird voll ▶︎ ▶︎ Das Alte wird neu ▶︎ ▶︎ Wer nichts besitzt, bekommt alles ▶︎ ▶︎ Wer viel besitzt, bekommt nichts ▶︎ ▶︎ Wer weise ist, hegt also die Einfachheit und ist so ein Vorbild für die Welt ▶︎ ▶︎ Er ist bescheiden und dadurch zeichnet er sich aus ▶︎ ▶︎ Er braucht sich nicht zu bewähren und deshalb vertrauen die Menschen seinen Worten ▶︎ ▶︎ Er hat nichts zu verteidigen und dadurch ist er unverletzbar ▶︎ ▶︎ Der Spruch der Weisen von einst „Das Unvollkommene wird vollkommen“ ist folglich richtig ▶︎ ▶︎ Für den Vollkommenen ist die Welt sein Zuhause ▶︎ ▶︎ 23 ▶︎ ▶︎ Wer sich selbst kennt benötigt wenig Wörter ▶︎ ▶︎ Ein Wirbelwind dauert nicht einen ganzen Morgen ▶︎ ▶︎ Ein Regenschauer dauert nicht den ganzen Tag ▶︎ ▶︎ Wo kommen Wind und Regen her? ▶︎ ▶︎ Sie gehen aus der Natur hervor ▶︎ ▶︎ Wenn die Natur Wind und Regen nicht lange dauern lässt ▶︎ ▶︎ Warum sollte der Mensch dann soviel reden müssen? ▶︎ ▶︎ Darum wird der, der seinem Gewissen folgt, zusammenfallen mit seinem Gewissen ▶︎ ▶︎ Wer vorbildlich lebt wird ein Vorbild sein ▶︎ ▶︎ Aber wer sich selbst verliert, weiß nicht mehr, wer er ist ▶︎ ▶︎ Wer sich selbst wieder findet, findet die Glückseligkeit ▶︎ ▶︎ Wer sich selbst verliert, verliert das wahrhaftige Leben ▶︎ ▶︎ Wer nicht auf sich selbst vertraut, dem wird auch nicht vertraut ▶︎ ▶︎ 24 ▶︎ ▶︎ Wer auf den Zehen steht, steht nicht standfest ▶︎ ▶︎ Wer krampfhaft läuft, kommt nicht weit ▶︎ ▶︎ Wer eitel ist, ist kein Licht ▶︎ ▶︎ Wer sich selbst beschönigt, ist nicht glaubwürdig ▶︎ ▶︎ Wer sich selbst hocharbeitet, erniedrigt sich selbst ▶︎ ▶︎ Für den Weisen sind das nur Torheiten ▶︎ ▶︎ Wer gerecht und ehrlich ist, verzichtet darauf ▶︎ ▶︎ 25 ▶︎ ▶︎ Bevor die Schöpfung zum Ausdruck kam ▶︎ ▶︎ War schon etwas da, vollkommen aber noch ohne Form ▶︎ ▶︎ Still und unveränderlich ▶︎ ▶︎ Überall anwesend und unerschöpflich ▶︎ ▶︎ Man kann es betrachten als die schöpfende Kraft von allem, was ist ▶︎ ▶︎ Ich kann es nicht beschreiben, aber ich nenne es einfach Tao ▶︎ ▶︎ Wenn ich es doch deuten muss, nenne ich es „Das Universum“ ▶︎ ▶︎ Mit dem Universum meine ich das sich überall Ausbreitende ▶︎ ▶︎ Das sich endlos Ausbreitende und Wiederkehrende ▶︎ ▶︎ Darum ist das Schöpfende groß und die Schöpfung groß und wer weise ist, ist groß ▶︎ ▶︎ Darum sind es drei Größe und eine davon ist der wahrhafte Mensch ▶︎ ▶︎ Der wahrhafte Mensch folgt seiner Natur, die Natur ihren ewigen und unveränderlichen Gesetzen ▶︎ ▶︎ Die Gesetzen der Natur gestalten die ewige Ordnung des Universums ▶︎ ▶︎ Die Ordnung des Universums wird begründet durch das Unnennbare ▶︎ ▶︎ 26 ▶︎ ▶︎ Das Schwere ist die Quelle des Lichtes, ▶︎ ▶︎ Der unbewegte Beweger, der Ursprung aller Bewegung ▶︎ ▶︎ Darum kann der wahrhafte Mensch den ganzen Tag in Bewegung sein, ▶︎ ▶︎ Weil er es nicht ist, der sich bewegt ▶︎ ▶︎ Sondern weil er sich auf dem Leben forttreiben lässt ▶︎ ▶︎ Wie ein Zuschauer genießt er die prachtvolle Schöpfung ▶︎ ▶︎ Warum würde er sich dann, als der Mittelpunkt der Welt, ▶︎ ▶︎ Für geringer halten als die Welt? ▶︎ ▶︎ Wer seine Großartigkeit nicht kennt, löst sich von der Welt ▶︎ ▶︎ Wer ruhelos irregeht, ist sich selbst im Weg ▶︎ ▶︎ 27 ▶︎ ▶︎ Der wahrhafte Reisende geht kein gebahnten Wege ▶︎ ▶︎ Der wahrhafte Sprecher hat Antworten auf alle Fragen ▶︎ ▶︎ Der wahrhafte Rechner hat alle Aufgaben geklärt ▶︎ ▶︎ Eine schlüssige Geschichte benötigt keine Bestätigung ▶︎ ▶︎ Keiner kann sie entkräften ▶︎ ▶︎ Wer sieht, wie vollkommen alles mit allem zusammenhängt ▶︎ ▶︎ Braucht keine Theorien und keiner kann an ihm zweifeln ▶︎ ▶︎ Darum ist der wahrhafte Mensch ein Lehrer für die anderen ▶︎ ▶︎ Und liebt seine Mitmenschen bedingungslos ▶︎ ▶︎ Darum auch ist er ein Hüter der ganzen Schöpfung ▶︎ ▶︎ Und achtet alles was lebt und wächst ▶︎ ▶︎ Das nennt man das Licht, das Mensch geworden ist ▶︎ ▶︎ Darum ist der wahrhafte Mensch ein Spiegel für die Unwahrhaften ▶︎ ▶︎ Und den Unwahrhaften einen Spiegel vorzuhalten ist die Aufgabe des wahrhaften Menschen ▶︎ ▶︎ Wer sich selbst nicht unter die Augen wagt zu treten, wer sich selbst nicht liebt ▶︎ ▶︎ Kann dann viel wissen, aber er ist blind ▶︎ ▶︎ Es scheint merkwürdig, aber es ist wahr ▶︎ ▶︎ 28 ▶︎ ▶︎ Wer seine Kraft kennt und trotzdem sanftmütig bleibt, ist der Geringste ▶︎ ▶︎ Wer der Geringste ist, ist gleichmäßig und wieder das unbefangene Kind, das er einst war ▶︎ ▶︎ Wer die Lügen durchschaut hat, ist ein Vorbild für die Welt ▶︎ ▶︎ Wer wieder Mensch geworden ist, ist ein Vorbild für die Welt ▶︎ ▶︎ Wer sich selbst kennt, ist ein Wissender inmitten Unwissender ▶︎ ▶︎ Wer wieder bis zu seiner ursprünglichen Reinheit gekehrt ist, erkennt seine Größe ▶︎ ▶︎ Wer seine ursprüngliche Natürlichkeit verlässt, wird gebildet ▶︎ ▶︎ Im Auge des wahrhaften Menschen benehmen diese sich wie Schauspieler ▶︎ ▶︎ 29 ▶︎ ▶︎ Wer meint, dass er die Schöpfung verbessern kann: Es wird ihm nicht gelingen ▶︎ ▶︎ Die Schöpfung ist vollkommen und kann nicht verbessert werden ▶︎ ▶︎ Wer eingreift in die Natur, wird die Natur zerstören ▶︎ ▶︎ Wer die Natur beherrschen will, wird gegen der Natur verlieren ▶︎ ▶︎ Denn alles ist, wie es ist und alles geschieht, wie es geschieht ▶︎ ▶︎ Dann gibt es Wärme und dann gibt es Kälte ▶︎ ▶︎ Dann gibt es Sturm und dann gibt es Windstille ▶︎ ▶︎ Dann gibt es Wachstum und dann gibt es Absterben ▶︎ ▶︎ Wer weise ist, lässt sich auf dem Strom des Lebens mitführen ▶︎ ▶︎ 30 ▶︎ ▶︎ Wer kämpft für eine gerechte Welt, gebraucht keine Gewalt ▶︎ ▶︎ Denn wer Gewalt braucht, fordert Gewalt heraus ▶︎ ▶︎ Wo Uneinigkeit herrscht, ist Chaos ▶︎ ▶︎ Und nach Konflikten folgen magere Jahre ▶︎ ▶︎ Der Gerechte tut, was er kann und zwingt nirgends ▶︎ ▶︎ Er ist nicht stolz auf das, was er erreicht ▶︎ ▶︎ Protzt nicht mit dem, was er erzielt ▶︎ ▶︎ Bildet sich nichts ein auf das, was er erlangt ▶︎ ▶︎ Tut was er tut, weil er nicht anders kann ▶︎ ▶︎ Und niemals braucht er Macht oder Gewalt ▶︎ ▶︎ Kulturen, die ihren Höhepunkt erreichen ▶︎ ▶︎ Läuten ihren eigenen Verfall ein ▶︎ ▶︎ Kulturen sind unnatürlich ▶︎ ▶︎ Und was künstlich ist, zerfällt ▶︎ ▶︎ 31 ▶︎ ▶︎ Wie kunstreich das Kriegsgerät auch ist, es bleibt unheilvolles Zeug ▶︎ ▶︎ Jeder hasst es ▶︎ ▶︎ Wer gerecht ist, hält sich weit davon entfernt ▶︎ ▶︎ Der wahrhafte Mensch beschmutzt sein Hände nicht damit ▶︎ ▶︎ Der Zänker greift dazu ▶︎ ▶︎ Waffen sind nichts für sanftmütige Menschen ▶︎ ▶︎ Waffen bringen nur Unheil ▶︎ ▶︎ Wer weise ist, wird nie und nimmer dazu greifen ▶︎ ▶︎ Denn Frieden und Ruhe gehen ihm über alles ▶︎ ▶︎ Er genießt den Sieg nicht ▶︎ ▶︎ Denn wer den Sieg genießt ▶︎ ▶︎ Genießt das Töten von Mitmenschen ▶︎ ▶︎ Wer das Töten von Mitmenschen genießt ▶︎ ▶︎ Kann niemals Frieden in sich selbst finden ▶︎ ▶︎ Wohlstand hält man für eigenen Verdienst ▶︎ ▶︎ Missgeschick für eine Schicksalsfügung ▶︎ ▶︎ Den Sieg für einen Verdienst der Mannschaft ▶︎ ▶︎ Die Niederlage ist die Schuld des Befehlshabers ▶︎ ▶︎ Aber Sieg und Niederlage ergeben nur Verlierer ▶︎ ▶︎ 32 ▶︎ ▶︎ Das Unaussprechliche ist ewig und nicht in Worte zu fassen ▶︎ ▶︎ Gleich wie mit ein rohes Stück Holz, kann man nichts damit machen ▶︎ ▶︎ Wenn Leiter das Vorbild des wahrhaften Lebens geben sollten ▶︎ ▶︎ Würden alle Menschen sich fügen in ihre wahrhafte Natur ▶︎ ▶︎ Die Himmel wurden tauen und die Wolken Gerechtigkeit regnen ▶︎ ▶︎ Und ohne eingreifen des Menschen ▶︎ ▶︎ Würde das allem unter dem Himmelsbogen zu Gunsten kommen ▶︎ ▶︎ Aber wenn Uneinigkeit entsteht ▶︎ ▶︎ Muss alles einen Name bekommen ▶︎ ▶︎ Wisse dann, wenn alles einen Name bekommen hat ▶︎ ▶︎ Du damit aufhören musst ▶︎ ▶︎ Wer damit aufhört, wird die Gefahr abwenden ▶︎ ▶︎ Im Vergleich zu den schlängeligen Nebenflüssen der Verfehlung ▶︎ ▶︎ Ist der gerade und einfache Weg wie ein mächtiger Strom ▶︎ ▶︎ 33 ▶︎ ▶︎ Wer den anderen durchschaut, ist klug ▶︎ ▶︎ Wer sich selbst kennt, ist weise ▶︎ ▶︎ Wer den anderen überwindet, ist mächtig ▶︎ ▶︎ Wer sich selbst überwindet, ist unerschütterlich ▶︎ ▶︎ Wer zufrieden ist, ist reich ▶︎ ▶︎ Wer viel wünscht, ist ständig beschäftigt ▶︎ ▶︎ Wer sich selbst wieder findet, ist aus einem Stück ▶︎ ▶︎ Wer stirbt bevor er stirbt, lebt ewig im Heute ▶︎ ▶︎ 34 ▶︎ ▶︎ Dasjenige, das alles ist, ist allerorts anwesend ▶︎ ▶︎ Es breitet sich aus in der ganzen Schöpfung ▶︎ ▶︎ Alles verdankt ihm sein Dasein, alles ist seiner Natur gemäß ▶︎ ▶︎ Es schenkt alles umsonst ▶︎ ▶︎ Es hegt und behütet alles und alle, aber will nichts ▶︎ ▶︎ Weil es nichts will, scheint es unbedeutend ▶︎ ▶︎ Es lässt alles erscheinen und wieder verschwinden ▶︎ ▶︎ Aber selbst ist es ewig ▶︎ ▶︎ Darum ist, wer weise ist, bescheiden ▶︎ ▶︎ Weil er bescheiden ist, ▶︎ ▶︎ Sind seine Verrichtungen großartig ▶︎ ▶︎ 35 ▶︎ ▶︎ Für denjenigen, der die vollkommene Ordnung betrachtet, ▶︎ ▶︎ Fällt alles auf die richtige Stelle ▶︎ ▶︎ Nichts kann ihm schaden und Ruhe und Frieden werden ihm zuteil ▶︎ ▶︎ Unterwegs gibt es Reisende, die weichen vor Musik und Festessen ▶︎ ▶︎ Denn der Weg zur Selbsterkenntnis ist säuerlich und unangenehm ▶︎ ▶︎ Nicht angenehm ins Auge zu sehen ▶︎ ▶︎ Schmerzhaft zu hören ▶︎ ▶︎ Aber er gibt eine unerschöpfliche Kraft ▶︎ ▶︎ 36 ▶︎ ▶︎ Nur was gedehnt ist, kann sich zusammenziehen ▶︎ ▶︎ Nur was gestärkt ist, kann geschwächt werden ▶︎ ▶︎ Nur was erhöht ist, kann erniedrigt werden ▶︎ ▶︎ Nur wer besitzt, kann verlieren ▶︎ ▶︎ Das muss doch deutlich sein ▶︎ ▶︎ Das Weiche überwindet das Harte ▶︎ ▶︎ Das Schwache überwindet das Starke ▶︎ ▶︎ Fische gehören ins Wasser ▶︎ ▶︎ Waffen gehören verborgen ▶︎ ▶︎ 37 ▶︎ ▶︎ Das ewig Schaffende tut nichts ▶︎ ▶︎ Und doch tut es alles ▶︎ ▶︎ Wenn Leiter sich ihm übergeben würden ▶︎ ▶︎ Würde sich das Antlitz der Erde von selbst ändern ▶︎ ▶︎ Aber da nun die Menschen so viele Wünsche haben ▶︎ ▶︎ Kann nur ich das Vorbild sein ▶︎ ▶︎ Das Vorbild der wahrhaften Einfachheit ▶︎ ▶︎ Und wenn die Menschen mir folgen würden ▶︎ ▶︎ Wäre die ganze Welt in Frieden ▶︎ ▶︎ 38 ▶︎ ▶︎ Wahrhafte Tugenden sind nicht von dieser Welt ▶︎ ▶︎ Darum sind es wahrhafte Tugenden ▶︎ ▶︎ Die so genannten Tugenden dieser Welt ▶︎ ▶︎ Dienen nur dem Eigennutz ▶︎ ▶︎ Darum sind es keine wahrhaften Tugenden ▶︎ ▶︎ Wer richtig taugt dient nur dem allgemeinen Belang ▶︎ ▶︎ Wer in dieser Welt „menschenfreundlich“ heißt, ▶︎ ▶︎ Erwartet Dankbarkeit zurück ▶︎ ▶︎ Wer in dieser Welt „ehrlich“ heißt, ▶︎ ▶︎ Hat einen doppelten Terminkalender ▶︎ ▶︎ Wer sich an diese Welt angepasst hat, ▶︎ ▶︎ Fordert, dass andere das auch tun ▶︎ ▶︎ Und sonst drohen sie und werden böse ▶︎ ▶︎ Darum, wenn die Menschen den geraden und einfachen Weg verfehlt haben ▶︎ ▶︎ Dann erst tun Menschen tugendhaft, aber sind nicht tugendhaft ▶︎ ▶︎ Dann tun sie liebenswürdig, aber sind nicht lebenswürdig ▶︎ ▶︎ Dann tun sie ehrlich, aber sind nicht ehrlich ▶︎ ▶︎ Dann tun sie anständig, aber sind nicht anständig ▶︎ ▶︎ Zivilisation ist nur eine dünne Kruste über Untreue und Unehrlichkeit ▶︎ ▶︎ Und der Quelle von Unordnung und Chaos ▶︎ ▶︎ Wer weise ist, versteckt sich nicht hinter einer Maske ▶︎ ▶︎ Er vertraut auf das Innere und nicht auf den schönen Schein ▶︎ ▶︎ Darum verwirft er den Schein und umarmt das Wesen ▶︎ ▶︎ 39 ▶︎ ▶︎ Von denjenigen von einst, die die Vollkommenheit erreicht hatten, ▶︎ ▶︎ Wissen wir, dass sie sich eins fühlten mit der ganzen Schöpfung, ▶︎ ▶︎ Dass sie die Erde nicht wie ein Chaos, aber wie eine Einheit sahen, ▶︎ ▶︎ Dass sie sich wie Götter fühlten und wie geistliche Wesen, ▶︎ ▶︎ Dass ihre Leere Fülle geworden war ▶︎ ▶︎ Und sie sahen die ganze Schöpfung als beseelt ▶︎ ▶︎ Durch ihre Völligkeit kehrte die Welt zurück zu der ursprünglichen Ordnung ▶︎ ▶︎ Für denjenigen, der nicht klar sieht, ist die Schöpfung zersplittert ▶︎ ▶︎ Für denjenigen, der sich außerhalb der Natur gestellt hat, ist die Erde ein Chaos ▶︎ ▶︎ Wer sich nicht mehr als göttlich erfährt, fühlt sich machtlos ▶︎ ▶︎ Menschen, die ihre Art verleugnen, gehen zu Grunde ▶︎ ▶︎ Darum ist gesagt: ▶︎ ▶︎ Demut ist die Quelle der Würde ▶︎ ▶︎ Geringfügigkeit ist die Grundlage der Größe ▶︎ ▶︎ Wer sich erhaben fühlt über sein Mitmenschen ▶︎ ▶︎ Taugt also nicht, ist unwürdig und gering ▶︎ ▶︎ Schließlich sind sie über die Rücken ihren Mitmenschen nach oben geklettert ▶︎ ▶︎ Darum ist ihr Reichtum Armut ▶︎ ▶︎ Und ihr Gold nur Flittergold ▶︎ ▶︎ 40 ▶︎ ▶︎ Wer von dem geraden und einfachen Pfad abgewichen ist ▶︎ ▶︎ Wird wieder dazu gezogen ▶︎ ▶︎ Das geschieht mit sanfter Hand ▶︎ ▶︎ Die ganze Schöpfung kommt ständig zu Sein ▶︎ ▶︎ Das Seiende aus dem Nichtseienden ▶︎ ▶︎ 41 ▶︎ ▶︎ Hören die meist Aufrechten von dem Weg zu Selbstkenntnis: ▶︎ ▶︎ Sie werden es hingebend in die Praxis umsetzen ▶︎ ▶︎ Hören die ziemlich Aufrechten von dem Weg zu Selbstkenntnis: ▶︎ ▶︎ Sie werden herausgreifen, was in ihren Kram passt ▶︎ ▶︎ Hören Eingefleischte von dem Weg zu Selbstkenntnis: ▶︎ ▶︎ Dann werden sie darüber schallend lachen ▶︎ ▶︎ Wenn sie nicht darüber schallend lachen würden, würde es nicht wahr sein ▶︎ ▶︎ Darum gibt es darüber einige Aphorismen: ▶︎ ▶︎ Der Weg zu dem Licht ist dunkel ▶︎ ▶︎ Fortschritt scheint Rückgang ▶︎ ▶︎ Der Weg zum einfachen Weg ist ein schwieriger Weg ▶︎ ▶︎ Aber auch: ▶︎ ▶︎ Der größte Persönlichkeit scheint eitel zu sein ▶︎ ▶︎ Das reinste Weiß scheint grau zu sein ▶︎ ▶︎ Der meist Tugendhafte scheint nichts zu taugen ▶︎ ▶︎ Güte scheint nur eine dünne Schicht zu sein ▶︎ ▶︎ Die Wahrheit zeigt sich als in alle Richtungen anwendbar ▶︎ ▶︎ Wie ein quadratischer Kreis ▶︎ ▶︎ Wie ein unerschöpfliches Fass ▶︎ ▶︎ Wie ein Gesang ohne Wörter ▶︎ ▶︎ Wie ein Bild ohne Schatten ▶︎ ▶︎ So ist der Weg verborgen und nicht in Worte zu fassen ▶︎ ▶︎ Nur der Weg zu Selbstkenntnis hat einen Anfang und ein Ende ▶︎ ▶︎ 42 ▶︎ ▶︎ Das Unaussprechliche lässt das Eine entstehen ▶︎ ▶︎ Das Eine das Zweite ▶︎ ▶︎ Und aus dem Zweiten entsprießt das Dritte ▶︎ ▶︎ Das Dritte bringt ständig die ganze Schöpfung ins Leben ▶︎ ▶︎ Alles wird getragen durch das Dunkle und kommt ans Licht ▶︎ ▶︎ Der Atem der Leere schafft die Ordnung ▶︎ ▶︎ Was die Menschen hassen ist einsam, unbedeutend und nutzlos zu sein ▶︎ ▶︎ Und doch ist es das, woran die wahrhaften Menschen Gefallen finden ▶︎ ▶︎ Wer kleiner wird, wird größer ▶︎ ▶︎ Wer größer wird, wird kleiner ▶︎ ▶︎ Ich erzähle nur, was jedermann weiß: ▶︎ ▶︎ Wer mühsam lebt, stirbt mühsam ▶︎ ▶︎ Dort dreht sich alles um ▶︎ ▶︎ 43 ▶︎ ▶︎ Das Allerweichste ist stärker als das Allerhärteste ▶︎ ▶︎ Was alles ist, ist alldurchdringend ▶︎ ▶︎ Darum weiß ich, dass es weise ist, zu lassen und nicht zu tun ▶︎ ▶︎ Dass man davon keine Lehren braucht, ▶︎ ▶︎ Dass gerade im Nichtstun das wahrhafte Glück liegt, ▶︎ ▶︎ Das verstehen in dieser Welt nur sehr wenige Menschen ▶︎ ▶︎ 44 ▶︎ ▶︎ Was ist wertvoller, das Leben oder der Status? ▶︎ ▶︎ Was findest du wichtiger, dein Selbst oder deinen Besitz? ▶︎ ▶︎ Was ist schlimmer, erlangen oder verlieren? ▶︎ ▶︎ Wer viel wünscht, zahlt einen hohen Preis ▶︎ ▶︎ Wer viel besitzt, kann viel verlieren ▶︎ ▶︎ Aber wer zufrieden ist, kennt weder Angst, noch Schande ▶︎ ▶︎ Und wer sich nicht mehr beteiligt, ist niemals mehr bange ▶︎ ▶︎ Und wird lange und glücklich leben ▶︎ ▶︎ 45 ▶︎ ▶︎ Vollkommenheit ist für die Welt unfertig ▶︎ ▶︎ Aber zerfällt niemals ▶︎ ▶︎ Fülle ist für die Welt leer ▶︎ ▶︎ Aber ist unerschöpflich ▶︎ ▶︎ Was gerade ist, ist für die Welt krumm, ▶︎ ▶︎ Weisheit ist für die Welt albern, ▶︎ ▶︎ Die Wahrheit sprechen schändlich, ▶︎ ▶︎ Wie Bewegung die Kälte vertreibt ▶︎ ▶︎ Und Ruhe abkühlt ▶︎ ▶︎ Zeigen Reinheit und Ruhe den richtigen Weg ▶︎ ▶︎ 46 ▶︎ ▶︎ Wenn alle Menschen ihrer Natur gemäß leben würden ▶︎ ▶︎ Würden die Pferde galoppieren in der freien Natur ▶︎ ▶︎ Aber da die Menschen kultiviert sind ▶︎ ▶︎ Stehen die Schlachtrösser an den Grenzen ▶︎ ▶︎ Es gibt keinen größeren Fluch, als Unzufriedenheit ▶︎ ▶︎ Nichts ist unheilvoller, als nicht zufrieden sein mit dem Leben ▶︎ ▶︎ Nichts fataler, als versessen sein auf Besitz ▶︎ ▶︎ Wer den Frieden der Zufriedenheit kennt, ist immer zufrieden ▶︎ ▶︎ 47 ▶︎ ▶︎ Ohne mein Haus zu verlassen, begreife ich die ganze Welt ▶︎ ▶︎ Ohne nach außen zu sehen, begreife ich die ganze Welt ▶︎ ▶︎ Je mehr man weiß, desto weniger man begreift ▶︎ ▶︎ Wer weise ist, braucht nicht zu reisen, ▶︎ ▶︎ Begreift, ohne zu sehen, ▶︎ ▶︎ Tut nichts und erreicht alles ▶︎ ▶︎ 48 ▶︎ ▶︎ Kenntnis anhäufen macht das Leben stets komplizierter ▶︎ ▶︎ Weisheit anhäufen macht das Leben stets einfacher ▶︎ ▶︎ Stets einfacher und einfacher bis die Einfachheit erreicht ist ▶︎ ▶︎ Nur durch lassen, kann man alles erreichen ▶︎ ▶︎ Wer nichts mehr will, braucht nichts mehr zu tun und hat sich selbst überwunden ▶︎ ▶︎ Wer viel will, muss auch viel tun und ist Sklave von sich selbst ▶︎ ▶︎ 49 ▶︎ ▶︎ Wer weise ist, hat keine einzige Meinung ▶︎ ▶︎ Darum kann er sich in jedermann hinein versetzen ▶︎ ▶︎ Er akzeptiert jeden, wie er ist, ▶︎ ▶︎ Egal wie sie sich verhalten ▶︎ ▶︎ Er vertraut den Ehrlichen und den Unehrlichen ▶︎ ▶︎ Und dadurch werden sie von selbst ehrlich ▶︎ ▶︎ Wer weise ist, fühlt sich eins mit allen Menschen ▶︎ ▶︎ Sie sind ihm gleich lieb ▶︎ ▶︎ Sie schauen ihn an und hören ihm zu ▶︎ ▶︎ Und alle betrachtet er als seine Kinder ▶︎ ▶︎ 50 ▶︎ ▶︎ Menschen erscheinen und verschwinden ▶︎ ▶︎ Ihr Körper ist der Sitz des Lebens ▶︎ ▶︎ Ihr Körper ist der Sitz des Todes ▶︎ ▶︎ Menschen altern und verfallen ▶︎ ▶︎ Warum geschieht denn das? ▶︎ ▶︎ Das kommt, weil sie eigentlich tot sind, aber denken, dass sie leben ▶︎ ▶︎ Es wird erzählt über Menschen, die das wahrhafte Leben hatten ▶︎ ▶︎ Die auf der Welt umherschweiften ▶︎ ▶︎ Und keine Angst hatten vor Nashörnern und Tigern, ▶︎ ▶︎ Die Waffen und Gewalt aus dem Weg gingen ▶︎ ▶︎ Und in Harmonie mit allen Geschöpfe lebten ▶︎ ▶︎ Darum fühlte kein einziges Tier sich durch sie bedroht ▶︎ ▶︎ Kein Waffen konnte sie verletzen ▶︎ ▶︎ Warum das so war? ▶︎ ▶︎ Weil sie nur lebten ▶︎ ▶︎ Und dann gibt es keinen Platz für den Tod ▶︎ ▶︎ 51 ▶︎ ▶︎ Das Unaussprechliche lässt alle Dinge erscheinen ▶︎ ▶︎ Die tätige Kraft bestimmt ihre Art ▶︎ ▶︎ Ihre Art bestimmt ihre Formen ▶︎ ▶︎ Die Umstände bestimmen ihre schließliche Erscheinung ▶︎ ▶︎ Darum achten alle Geschöpfe das Unaussprechliche, ▶︎ ▶︎ Mit Ausnahme der irregehenden Menschheit ▶︎ ▶︎ Und leben ihrer Art gemäß ▶︎ ▶︎ Das geht ganz von selbst ▶︎ ▶︎ Niemand belohnt sie dafür ▶︎ ▶︎ Das Unaussprechliche lässt sie leben, nährt sie und lässt sie wachsen ▶︎ ▶︎ Erfüllt sie, gibt ihnen Ruhe, stützt sie und schützt sie ▶︎ ▶︎ Es lässt sie leben, aber zwingt sie nicht ▶︎ ▶︎ Es führt sie mit auf dem Lebensstrom, aber besitzt sie nicht ▶︎ ▶︎ Es lässt sie reifen, aber beherrscht sie nicht ▶︎ ▶︎ Das ist ein unergründliches Mysterium ▶︎ ▶︎ 52 ▶︎ ▶︎ Die Welt kommt irgendwo her ▶︎ ▶︎ Man würde dies die Mutter der Welt nennen können ▶︎ ▶︎ Wenn man die Mutter kennt, kennt man das Kind ▶︎ ▶︎ Wer wieder wird wie das Kind, wird die Mutter wiederum kennen ▶︎ ▶︎ Und bis ans Ende seines Lebens wird ihm nichts mehr schaden ▶︎ ▶︎ Niemanden wird er verurteilen und durch niemanden wird er sich beeinflussen lassen ▶︎ ▶︎ Und sein Leben wird ohne Sorgen sein ▶︎ ▶︎ Aber wer jemanden verurteilt und mit seinem eigenen Belang beschäftigt ist, ▶︎ ▶︎ Wird bis ans Ende seines Lebens voll Sorgen sein ▶︎ ▶︎ Wer ein Fünkchen von Licht sieht in der Finsternis, sieht Licht am Ende des Tunnels ▶︎ ▶︎ Festhalten am Fünkchen erfordert Kraft ▶︎ ▶︎ Wer dem Licht folgt, kehrt zurück zum wahrhaften Leben ▶︎ ▶︎ Dann ist die Gefahr gewichen ▶︎ ▶︎ Und du lebst das ewige Leben ▶︎ ▶︎ 53 ▶︎ ▶︎ Wenn ich die wahrhafte Kenntnis besitzen würde ▶︎ ▶︎ Würde ich spazieren auf dem geraden und einfachen Pfad ▶︎ ▶︎ Ich würde die Seitenpfade vermeiden ▶︎ ▶︎ Denn der gerade und einfache Pfad ist leicht zu gehen ▶︎ ▶︎ Aber die Menschen lieben schmale Seitenpfaden ▶︎ ▶︎ Die Häuser der Reichen sind sauber und geputzt ▶︎ ▶︎ Aber die Äcker der Armen stehen voll Unkraut ▶︎ ▶︎ Und ihren Getreidescheunen sind leer ▶︎ ▶︎ Die Elite trägt reichlich geschmückte und teure Kleider, ▶︎ ▶︎ Die scharfen Schwerter hängen an ihrer Taille ▶︎ ▶︎ Sie fressen und saufen, ▶︎ ▶︎ Schwelgen in Besitz und Reichtum ▶︎ ▶︎ Sie prunken mit geraubten Sachen ▶︎ ▶︎ Ist das nicht gewissenlos? ▶︎ ▶︎ 54 ▶︎ ▶︎ Wer in dieser ungerechten Welt verwurzelt ist ▶︎ ▶︎ Lässt sich nicht leicht von seinem Standpunkt abbringen ▶︎ ▶︎ Wer daran festhält, kann nicht loslassen ▶︎ ▶︎ Darum werden ihre Kinder leiden bis ins dritte und vierte Geschlecht ▶︎ ▶︎ Aber wer sich selbst durch sein Gewissen führen lässt ▶︎ ▶︎ Führt ein tadelloses Leben ▶︎ ▶︎ Wer dafür sorgt, dass seine Nächsten sich durch ihr Gewissen führen lassen, ▶︎ ▶︎ Lässt sie aufblühen ▶︎ ▶︎ Wer erwirkt, dass seine Mitbürger sich durch ihr Gewissen führen lassen, ▶︎ ▶︎ Lässt sie ein Vorbild vor anderen sein ▶︎ ▶︎ Und wenn die ganze Menschheit sich durch ihr Gewissen führen lässt ▶︎ ▶︎ Wird es ein Paradies auf Erden sein ▶︎ ▶︎ Schaue nach dir selber, wenn du dich selbst verstehen willst ▶︎ ▶︎ Entdecke die Beziehungen und Muster in der Weise, wie dein Nächster, ▶︎ ▶︎ Die Städte und Nationen miteinander umgehen ▶︎ ▶︎ Denn was im Kleinen ist, ist auch im Grossen ▶︎ ▶︎ Wie weiß ich, dass es so ist? ▶︎ ▶︎ Weil ich das selbst getan habe ▶︎ ▶︎ 55 ▶︎ ▶︎ Der wahrhafte Mensch ist wie ein neugeborenes Kind ▶︎ ▶︎ Wespen und Skorpione stechen es nicht, Schlangen und Otter beißen es nicht ▶︎ ▶︎ Raubvögel und wilde Tieren greifen es nicht an ▶︎ ▶︎ Seine Knochen und Muskeln sind weich und geschmeidig, doch greift es schon kräftig ▶︎ ▶︎ Sex und Libido sind ihm fremd und doch kann sein Pimmelchen schon steif werden ▶︎ ▶︎ Das ist, weil seine Natur noch nicht von Gedanken gestört ist ▶︎ ▶︎ Es kann den ganze Tag schreien, ohne heiser zu werden ▶︎ ▶︎ Das ist, weil alles noch vollkommen im Gleichgewicht ist ▶︎ ▶︎ Leben ohne Vergangenheit und ohne Zukunft wird „weise sein“ genannt ▶︎ ▶︎ Zu versuchen, das Leben zu verlängern, ist heillos ▶︎ ▶︎ Wer sein Leben beherrschen will, tut sich selbst Gewalt an ▶︎ ▶︎ Dass Dinge und Menschen altern ist unnatürlich ▶︎ ▶︎ Was unnatürlich ist, wird frühzeitig ans Ende kommen ▶︎ ▶︎ 56 ▶︎ ▶︎ Diejenigen, die das Mysterium erfahren, reden darüber nicht ▶︎ ▶︎ Diejenigen, die darüber reden, haben das Mysterium nicht erfahren ▶︎ ▶︎ Versuche nicht, über das Unaussprechliche zu reden, ▶︎ ▶︎ Das was nicht gesehen, gehört, betastet oder gekostet werden kann ▶︎ ▶︎ Die Formen verwischen sich, ▶︎ ▶︎ Die Ränder schwächen, ▶︎ ▶︎ Die Verwirrung verschwindet, ▶︎ ▶︎ Das Licht erblasst, ▶︎ ▶︎ Die Unruhe erlischt ▶︎ ▶︎ Das nennt man „das Mystische erfahren“ ▶︎ ▶︎ Weder Zuneigung noch Hass kann sie beeinflussen ▶︎ ▶︎ Weder Vorteil noch Nachteil kann sie berühren ▶︎ ▶︎ Ehre und Schande lassen sie kalt ▶︎ ▶︎ Darum sind sie die edelsten Menschen in der Welt ▶︎ ▶︎ 57 ▶︎ ▶︎ Mit Gesetzen regiert man ein Staat ▶︎ ▶︎ Mit Listen führt man Krieg ▶︎ ▶︎ Ohne Gesetze und Listen bekommt man ein friedliche Welt ▶︎ ▶︎ Wie weiß ich, dass es so ist? ▶︎ ▶︎ Also, wegen dem Folgenden: ▶︎ ▶︎ Je mehr Gebote und Verbote, desto gezwungener werden die Menschen ▶︎ ▶︎ Je mehr Bewaffnung, desto größer die Unordnung ▶︎ ▶︎ Je mehr Kenntnis und Wissenschaft, desto mehr Apparate und Künstlichkeit ▶︎ ▶︎ Je mehr Gesetze und Beschlüsse, desto mehr Diebe und Räuber ▶︎ ▶︎ Wer weise ist sagt also: ▶︎ ▶︎ Ich tue gar nichts und die Menschen werden sich von sich selbst aus ändern ▶︎ ▶︎ Ich liebe die Ruhe und von sich selbst aus werden die Menschen ehrlich ▶︎ ▶︎ Ich mache keine Problemen und die Menschen werden den Reichtum in sich selbst finden ▶︎ ▶︎ Ich will gar nichts und die Menschen werden wieder zur Einfachheit kehren ▶︎ ▶︎ 58 ▶︎ ▶︎ Je weniger Regeln und Gesetze, desto glücklicher die Menschheit ▶︎ ▶︎ Je mehr Regeln und Gesetze, desto mehr Unfriede und Elend ▶︎ ▶︎ Reichtum für die einen geht immer auf Kosten der anderen ▶︎ ▶︎ Elend für die einen, ist die Folge von Wohlstand der anderen ▶︎ ▶︎ Wann wird das jemals ein Ende nehmen? ▶︎ ▶︎ Wer weise ist, ist gerecht und beteiligt sich nicht daran ▶︎ ▶︎ Er ist ohne Umschweife und kränkt nie ▶︎ ▶︎ Er ist strahlend, aber blendet nicht ▶︎ ▶︎ 59 ▶︎ ▶︎ Um die Menschheit in Frieden leben zu lassen, ist Enthaftung ein Erfordernis ▶︎ ▶︎ Denn nur wer enthaftet ist, kann wahrhaft leben ▶︎ ▶︎ Bevor das Sterben alles loslassen lässt, sollte ein Mensch gerecht leben ▶︎ ▶︎ Wer gerecht ist, kennt kein Probleme ▶︎ ▶︎ Für denjenigen, der keine Probleme kennt, ist das Leben unbegrenzt ▶︎ ▶︎ Für denjenigen, der grenzenlos ist, ist die Welt sein Haus ▶︎ ▶︎ Wer sich als eins mit der Schöpfung erfährt, lebt lange und glücklich ▶︎ ▶︎ Dann bist du wieder verwurzelt und stehst mit beiden Füssen auf der Erde ▶︎ ▶︎ Nur so wirst du lange und glücklich leben und alles verstehen ▶︎ ▶︎ 60 ▶︎ ▶︎ Dafür sorgen, dass die Menschheit in Frieden lebt, ist ein Kinderspiel ▶︎ ▶︎ Wenn Gerechtigkeit der Leitfaden ist, finden Wahnideen keinen Anklang ▶︎ ▶︎ Nicht, dass dann manchmal doch wieder Wahnideen auftauchen können ▶︎ ▶︎ Aber die Menschen sind nicht mehr empfänglich dafür ▶︎ ▶︎ Wahnideen beschädigen die Menschen und wer weise ist, zeigt ihnen das ▶︎ ▶︎ Darum ist derjenige, der weise ist, eine Bedrohung für Wahnideen, ▶︎ ▶︎ Aber keine Bedrohung für die Menschen ▶︎ ▶︎ Dadurch werden auch sie weise werden ▶︎ ▶︎ 61 ▶︎ ▶︎ Wenn die Menschheit in Frieden lebt ▶︎ ▶︎ Gibt es keine Vorgesetzten oder Untergebenen ▶︎ ▶︎ Es ist wie ein großer Fluss, ▶︎ ▶︎ Worin alle Nebenflüsse zur Ruhe gekommen sind ▶︎ ▶︎ Das Wüste kommt zur Ruhe im Friedlichen, ▶︎ ▶︎ Weil es gefasst ist und am bescheidensten ▶︎ ▶︎ Darum ist derjenige, der der Mindeste ist, ▶︎ ▶︎ Durch seine entwaffnende Einfachheit einnehmend für seine Mitmenschen ▶︎ ▶︎ So gereicht es beiden zum Heil ▶︎ ▶︎ Also: wer groß scheint, muss klein werden ▶︎ ▶︎ 62 ▶︎ ▶︎ Alles neigt zum ursprünglichen Gleichgewicht ▶︎ ▶︎ Es ist die Glückseligkeit für den wahrhaften Menschen ▶︎ ▶︎ Es ist die Zuflucht für den unwahrhaften Menschen ▶︎ ▶︎ Aber die Menschen prunken mit ihren schönen Schätzen ▶︎ ▶︎ Sie tun Gutes im Tausch für Dankbarkeit ▶︎ ▶︎ Jedermann macht das, warum also solltest du das denn nicht mitmachen? ▶︎ ▶︎ Darum jauchzen die Menschen für neue Führer ▶︎ ▶︎ Und lassen sich imponieren von Pracht und Prunk ▶︎ ▶︎ Aber es ist weise, das nicht mit zu machen ▶︎ ▶︎ Denn weißt du, warum die Weisen von einst die Einfachheit so wichtig fanden? ▶︎ ▶︎ Weil sie erfahren hatten, dass wer die Einfachheit emsig sucht, sie schließlich finden wird ▶︎ ▶︎ Und dass die Wahrheit frei macht von Vergangenheit und Zukunft ▶︎ ▶︎ Darum ist Einfachheit das Wichtigste in der Welt ▶︎ ▶︎ 63 ▶︎ ▶︎ Handle ohne Absicht ▶︎ ▶︎ Höre auf mit der Arbeit ▶︎ ▶︎ Genieße nur das Leben ▶︎ ▶︎ Wer das Kleine nicht ehrt, ist des Grossen nicht wert ▶︎ ▶︎ Kein Auge um Auge und Zahn um Zahn, ▶︎ ▶︎ Aber kehr deine andere Wange zu ▶︎ ▶︎ Sieh, wie einfach ist, was kompliziert scheint ▶︎ ▶︎ Sieh die Größe in dem, was winzig scheint ▶︎ ▶︎ Mache die Einfachheit nicht kompliziert ▶︎ ▶︎ Einfach leben ist einfach ▶︎ ▶︎ Aber die Menschen haben es kompliziert gemacht ▶︎ ▶︎ Wer weise ist, tut deshalb nicht schwieriges ▶︎ ▶︎ Und darum kann er Berge versetzen ▶︎ ▶︎ Wer viel verspricht, dem wird wenig geglaubt ▶︎ ▶︎ Wer Scheuklappen trägt, begegnet vielen Probleme ▶︎ ▶︎ Aber wer weise ist, besinnt sich, bevor er anfängt ▶︎ ▶︎ Darum fängt er nicht an ▶︎ ▶︎ Und darum hat er keine Probleme ▶︎ ▶︎ 64 ▶︎ ▶︎ Ruhe ist einfach zu wahren ▶︎ ▶︎ Was geschehen könnte, ist einfach zu verhüten ▶︎ ▶︎ Was brüchig ist, ist einfach zu brechen ▶︎ ▶︎ Was noch klein ist, ist einfach zu vertreiben ▶︎ ▶︎ Ein großer Baum fängt an als kleiner Keimling ▶︎ ▶︎ Ein Terrassengarten als kleiner Haufen Erde ▶︎ ▶︎ Ein Reise von tausend Meilen mit einem ersten Schritt ▶︎ ▶︎ Wer die natürliche Ordnung stört, beschädigt sich selbst ▶︎ ▶︎ Wer eingreift, verliert sich selbst ▶︎ ▶︎ Wer weise ist, verzichtet darauf ▶︎ ▶︎ Darum schadet er sich selbst nicht und bleibt er selbst ▶︎ ▶︎ Aber die Menschen machen alles kaputt und nennen das Fortschritt ▶︎ ▶︎ Haben sie einmal angefangen, dann ist das Ende fort ▶︎ ▶︎ Wer weise werden will, strebt danach, wonach die anderen nicht streben ▶︎ ▶︎ Und hält für wichtig, was die anderen für unbedeutend halten ▶︎ ▶︎ Er gewöhnt sich ab, was die anderen erlernen ▶︎ ▶︎ Und kehrt zurück zu dem Zustand, den die anderen verlassen haben ▶︎ ▶︎ Dann kennt er den Weg zurück zu dem Ursprung ▶︎ ▶︎ Aber sieht ein, dass die Menschen das nicht hören wollen ▶︎ ▶︎ 65 ▶︎ ▶︎ Die Weisen von einst, die den geraden und einfachen Pfad gingen, ▶︎ ▶︎ Brachten den Menschen keine Kenntnis, aber Weisheit bei ▶︎ ▶︎ Wenn Menschen viel wissen, ist die Einheit nicht zu erhalten ▶︎ ▶︎ Daraus folgt, dass Wissenschaft die Zusammengehörigkeit zerbricht ▶︎ ▶︎ Und dass Weisheit die Zusammenhörigkeit schützt ▶︎ ▶︎ Wie einsieht, dass es so ineinander steckt, ▶︎ ▶︎ Begreift, dass Weisheit und Kenntnis gegensätzlich sind ▶︎ ▶︎ Wer das verstanden hat, ist weise ▶︎ ▶︎ Und so kehrt er zurück zu der Einfachheit ▶︎ ▶︎ Und fühlt sich eins mit allem und allen ▶︎ ▶︎ 66 ▶︎ ▶︎ Warum sind die Meere und Flüsse die größten unter den Gewässer? ▶︎ ▶︎ Weil sie sich auf den niedrigsten Stellen befinden ▶︎ ▶︎ Darum sind sie die größten ▶︎ ▶︎ Wer weise ist inmitten von Toren, ist deshalb der Geringste ▶︎ ▶︎ Und gerade darum ist er der größte ▶︎ ▶︎ Aber die Toren sehen in ihm keine Bedrohung ▶︎ ▶︎ Sie verstehen ihn nicht und negieren ihn ▶︎ ▶︎ Weil er mit keinem streitet, ist er nicht zu bestreiten ▶︎ ▶︎ 67 ▶︎ ▶︎ In der Welt bin ich groß, aber für die Menschen ein Versager ▶︎ ▶︎ In meiner Größe bin ich anders als alle anderen, darum bin ich groß ▶︎ ▶︎ Wenn ich wie die anderen wäre, ▶︎ ▶︎ Dann würde ich ebenso unbedeutend und unscheinbar sein ▶︎ ▶︎ Ich habe drei kostbare Schätze, die ich hege: ▶︎ ▶︎ Der erste ist Erbarmen ▶︎ ▶︎ Der zweite ist Genügsamkeit ▶︎ ▶︎ Der dritte ist Bescheidenheit ▶︎ ▶︎ Durch mein Erbarmen kann ich mutig sein ▶︎ ▶︎ Weil ich genügsam bin, kann ich uneigennützig sein ▶︎ ▶︎ Weil ich bescheiden bin, kann ich vorangehen ▶︎ ▶︎ Aber wer sein Erbarmen fahren lässt und doch mutig sein will, ▶︎ ▶︎ Wer verzichtet auf seine Genügsamkeit und doch uneigennützig sein will, ▶︎ ▶︎ Wer aufhört, bescheiden zu sein und doch wichtig sein will, ▶︎ ▶︎ Wird es nicht schaffen können ▶︎ ▶︎ Wer kämpft mit Erbarmen, wird siegen ▶︎ ▶︎ Er braucht sich nicht zu verteidigen, denn er ist nicht verletzbar ▶︎ ▶︎ Das Unaussprechliche wird ihn mit Erbarmen beschützen ▶︎ ▶︎ 68 ▶︎ ▶︎ Wer kämpft für den Frieden ist gewaltlos ▶︎ ▶︎ Der wahrhafte Kämpfer ist unerschütterlich ▶︎ ▶︎ Der wahrhafte Sieger macht keinen Krach ▶︎ ▶︎ Der wahrhafte Führer ist der Geringste ▶︎ ▶︎ Das nennt man gewaltlose Wehrhaftigkeit ▶︎ ▶︎ So nimmst du Menschen für dich ein ▶︎ ▶︎ Das heißt „leben nach deiner Natur“ ▶︎ ▶︎ Das ist die Vollkommenheit, über die die Weisen von einst redeten ▶︎ ▶︎ 69 ▶︎ ▶︎ Wer verstanden hat, dass Streit niemals etwas löst, ▶︎ ▶︎ Fängt damit nicht mehr an und wartet lieber ab ▶︎ ▶︎ Lieber macht er einen Schritt zurück und zieht sich zurück ▶︎ ▶︎ Das nennt man siegen, durch verlieren ▶︎ ▶︎ Kraft zeigen, ohne imponieren ▶︎ ▶︎ Standhalten, ohne den Kampf auf zu nehmen ▶︎ ▶︎ Nichts ist unheilvoller, als deinen Feind zu unterschätzen ▶︎ ▶︎ Wer seinen Feind unterschätzt, setzt sich der Gefahr aus ▶︎ ▶︎ Darum ist derjenige, der sich durch Erbarmen führen lässt, ▶︎ ▶︎ Der Sieger im Konflikt ▶︎ ▶︎ 70 ▶︎ ▶︎ Meine Worte sind leicht zu verstehen ▶︎ ▶︎ Und einfach in die Praxis umzusetzen, ▶︎ ▶︎ Trotzdem will keiner in der Welt sie hören ▶︎ ▶︎ Und keiner fühlt sich imstande, danach zu leben ▶︎ ▶︎ Meine Worte haben einen Ursprung, meine Lebensweise hat ein Prinzip, ▶︎ ▶︎ Aber weil die Menschen nicht wagen, das zu sehen, können sie mich nicht begreifen ▶︎ ▶︎ Es sind nur wenige Menschen, die mich verstehen und für sie bin ich sehr wertvoll ▶︎ ▶︎ Wer weise ist, benimmt sich also unauffällig, aber er bleibt er selbst ▶︎ ▶︎ 71 ▶︎ ▶︎ Einsehen, dass du nichts wissen kannst, das ist weise ▶︎ ▶︎ Wer nicht begreift, dass er nichts wissen kann, ist verrückt ▶︎ ▶︎ Wer einsieht, dass er verrückt ist ▶︎ ▶︎ Kann sich von seiner Verrücktheit entäußeren ▶︎ ▶︎ Wer weise ist, ist nicht mehr verrückt, ▶︎ ▶︎ Weil er sich von sein Verrücktheit entäußert hat ▶︎ ▶︎ Darum ist er klar ▶︎ ▶︎ 72 ▶︎ ▶︎ Wenn die Menschen nicht mehr wissen, wovor sie Angst haben müssen, ▶︎ ▶︎ Werden sie in unbestimmter Angst leben ▶︎ ▶︎ Warum finden sie sich ab, mit ihrem armseligen Bestehen? ▶︎ ▶︎ Warum sehen sie nicht, wie fabelhaft das Leben ist? ▶︎ ▶︎ Warum haben sie nicht den Mut, sich dem Trott zu entreißen? ▶︎ ▶︎ Wer weise ist, hat das verstanden, aber tut sich da nicht groß mit ▶︎ ▶︎ Er genießt es, aber hält es nicht für eigenen Verdienst ▶︎ ▶︎ Er lässt das alte Leben hinter sich und umarmt das wahrhafte Leben ▶︎ ▶︎ 73 ▶︎ ▶︎ Mut haben und übermütig sein führt zum Tod ▶︎ ▶︎ Mut haben und behutsam sein erhält das Leben ▶︎ ▶︎ Der eine Fall ist heillos, der andere heilvoll ▶︎ ▶︎ Nur wer weise ist, versteht den Lauf der Dinge ▶︎ ▶︎ Darum greift er nicht ein ▶︎ ▶︎ Die ewigen Gesetze der Natur lassen sich übertreten ▶︎ ▶︎ Aber gewinnen doch immer ▶︎ ▶︎ Sie lassen sich nicht hören, aber geben doch Antwort ▶︎ ▶︎ Sie rufen nicht, aber jedermann begegnet ihnen ▶︎ ▶︎ Wie ein Netz überspannt die ursprüngliche Ordnung das Universum ▶︎ ▶︎ Die Maschen scheinen weit, aber nichts kann da hindurch ▶︎ ▶︎ 74 ▶︎ ▶︎ Wenn die Menschen den Tod nicht fürchten ▶︎ ▶︎ Wie soll man sie dann noch mit dem Tod bedrohen können? ▶︎ ▶︎ Wenn die Menschen ja doch Angst haben vor dem Tod ▶︎ ▶︎ Und man würde derjenigen töten, die die Gesetzen übertreten, ▶︎ ▶︎ Wer wurde es dann noch wagen, die Gesetzen zu übertreten? ▶︎ ▶︎ Aber es ist nur einer, der verfügt über Leben und Tod ▶︎ ▶︎ Wenn Menschen sich das Recht aneignen, zu verfügen über Leben und Tod, ▶︎ ▶︎ Setzen sie sich auf den Stuhl des Einen ▶︎ ▶︎ Dann verhalten sie sich wie des Zauberers Lehrling, ▶︎ ▶︎ Der sich vergreift an dem Werk des Meisters, ▶︎ ▶︎ Zu ihrem eigenen Unheil ▶︎ ▶︎ 75 ▶︎ ▶︎ Die Menschen hungern, ▶︎ ▶︎ Weil die Reichen sich über ihren Rücken her bereichern ▶︎ ▶︎ Darum hungern die Menschen ▶︎ ▶︎ Die Menschen sind nicht in der Gewalt zu halten, ▶︎ ▶︎ Weil ihren Führer nur etwas schlampen ▶︎ ▶︎ Darum sind die Menschen nicht in der Gewalt zu halten ▶︎ ▶︎ Die Menschen haben kein Angst vor dem Tod, ▶︎ ▶︎ Weil sie so nicht leben wollen ▶︎ ▶︎ Darum haben sie kein Angst vor dem Tod ▶︎ ▶︎ Nur wer keine Angst hat vor dem Leben, ▶︎ ▶︎ Hat keine Angst vor dem Tod ▶︎ ▶︎ 76 ▶︎ ▶︎ Wenn der Mensch geboren wird, ist er geschmeidig und schwach ▶︎ ▶︎ Wenn er stirbt, ist er starr und steif ▶︎ ▶︎ Alles was lebt, schau nur das Gras oder die Bäume an, ▶︎ ▶︎ Ist geschmeidig und biegsam ▶︎ ▶︎ Erst wenn sie absterben, sind sie geschrumpft und ausgetrocknet ▶︎ ▶︎ Darum sind Härte und Unbeugsamkeit Gefährten des Todes ▶︎ ▶︎ Und Geschmeidigkeit und Zartheit die Gefährten des Lebens ▶︎ ▶︎ Darum wird ein unbiegsamer Zänker nicht siegen ▶︎ ▶︎ Und ist ein unbiegsamer Baum dem Tode verfallen ▶︎ ▶︎ Mit Unbiegsamkeit und Macht kommt man nicht weit ▶︎ ▶︎ Mit Geschmeidigkeit und Zartheit kommt man überall hin ▶︎ ▶︎ 77 ▶︎ ▶︎ Die natürliche Ordnung ist wie ein Bogen ▶︎ ▶︎ Der niedrige Bogen wird nach oben gedrängt ▶︎ ▶︎ Die hohe Bogensehne herunter gezogen ▶︎ ▶︎ Wo zuviel ist, nimmt es ab ▶︎ ▶︎ Wo zuwenig ist, füllt es aus ▶︎ ▶︎ Die Natur strebt immer nach Harmonie ▶︎ ▶︎ Vermindert, wo zuviel ist ▶︎ ▶︎ Vermehrt, wo zuwenig ist ▶︎ ▶︎ Aber wie anders verhalten die Menschen sich? ▶︎ ▶︎ Die Armen werden ärmer und die Reichen werden reicher ▶︎ ▶︎ Aber wer weise ist, sieht ein, dass Besitz Diebstahl von der Gemeinschaft ist ▶︎ ▶︎ Und deshalb verzichtet er darauf und gibt es zurück an die Gemeinschaft ▶︎ ▶︎ Also ist nur, wer weise ist, enthaftet und frei ▶︎ ▶︎ Er tut nur was andere von ihm wollen, aber nichts für sich selbst ▶︎ ▶︎ Und bildet sich auf nichts etwas ein ▶︎ ▶︎ 78 ▶︎ ▶︎ Nichts in der Welt ist sanfter und nachgiebiger als Wasser ▶︎ ▶︎ Nichts ist stärker im Brechen von dem, was hart und stark ist ▶︎ ▶︎ Nichts kann es darin übertreffen ▶︎ ▶︎ Das Schwache überwindet das Starke ▶︎ ▶︎ Das Weiche überwindet das Harte ▶︎ ▶︎ Niemand, der das nicht weiß ▶︎ ▶︎ Niemand, der das in die Praxis umsetzt ▶︎ ▶︎ Darum sagt der Weise: ▶︎ ▶︎ Wer in der Welt der Geringste ist, ist der weiseste auf Erden, ▶︎ ▶︎ Wer das Leid der Welt auf die Schultern trägt, ist der größte unter den Menschen ▶︎ ▶︎ Es scheint merkwürdig, aber es ist wahr ▶︎ ▶︎ 79 ▶︎ ▶︎ Wird nach einer heftigen Feindschaft Frieden geschlossen, ▶︎ ▶︎ Dann ist das nur ein bewaffneter Frieden ▶︎ ▶︎ Das kann doch nicht gut sein ▶︎ ▶︎ Wer weise ist, sieht in einem Konflikt nur seinem eigenen Anteil ins Auge ▶︎ ▶︎ Und gibt der Gegenpartie nicht die Schuld ▶︎ ▶︎ Also, wer ehrlich ist schaut nur nach seinem eigenen Anteil, ▶︎ ▶︎ Während derjenige, der nicht nach sich selbst schauen will, dem anderen die Schuld gibt ▶︎ ▶︎ Der Weg zur Selbstkenntnis kennt keine Parteilichkeit, ▶︎ ▶︎ Aber ist nur den Aufrichtigen zu Gunsten ▶︎ ▶︎ 80 ▶︎ ▶︎ Möge die Menschheit wieder in Freiheit, Gleichheit und Brüderschaft leben, ▶︎ ▶︎ So dass da kein Bedürfnis ist nach Führern und Vorgesetzten, ▶︎ ▶︎ Dann werden die Menschen den Tod nicht mehr fürchten ▶︎ ▶︎ Und nicht mehr versuchen, dem Tod zu entfliehen ▶︎ ▶︎ Möge es wieder so werden, dass sie kein Bedürfnis mehr haben, ▶︎ ▶︎ Sich in Fahrzeugen fort zu bewegen ▶︎ ▶︎ Und dass sie nichts mehr zu verteidigen haben, ▶︎ ▶︎ Mögen die Menschen wieder verzichten auf ihre Werkzeuge und Apparate ▶︎ ▶︎ Und die saatbringenden und fruchtbringenden Gewächse genießen, ▶︎ ▶︎ Die ihnen zur Nahrung dienen ▶︎ ▶︎ Und wieder schamlos stolz sein auf ihre natürliche Schönheit ▶︎ ▶︎ Mögen sie sich nicht mehr einschließen in ihren Städten und Häusern, ▶︎ ▶︎ Sondern nur die Schöpfung genießen ▶︎ ▶︎ Und sollte es doch noch Tore geben, die sich in Unfreiheit, ▶︎ ▶︎ In Nationen, Völker, Städte und Häuser einschließen werden, ▶︎ ▶︎ Mögen die Weisen sich dann davon fernhalten ▶︎ ▶︎ 81 ▶︎ ▶︎ Wahrhafte Worte sind nicht angenehm ▶︎ ▶︎ Schöne Worte sind nicht wahrhaft ▶︎ ▶︎ Weise reden nicht über das Unaussprechliche ▶︎ ▶︎ Wer über das Unaussprechliche redet, ist nicht weise ▶︎ ▶︎ Weise sind nicht gelehrt ▶︎ ▶︎ Und Gelehrte sind nicht weise ▶︎ ▶︎ Wer weise ist, häuft keinen Besitz an ▶︎ ▶︎ Er gibt, was er hat ▶︎ ▶︎ Und ist deshalb wert, dass er lebt ▶︎ ▶︎ Die anderen lässt er teilhaben an seiner Weisheit ▶︎ ▶︎ Seine Weisheit ist unerschöpflich ▶︎ ▶︎ Leben nach der Natur schadet niemals ▶︎ ▶︎ Das Leben der Weisen ist uneigennützig und friedsam ▶︎ ▶︎ Es gibt nur ein Volk und das ist die Menschheit ▶︎ ▶︎ Es gibt nur ein Land und das ist die Erde ▶︎ ▶︎ Es gibt nur eine Sprache und das ist die Liebe ▶︎ ▶︎ _______________________ ▶︎ ▶︎ Wayback Machine ▶︎ ▶︎ ▶︎ ▶︎ https://web.archive.org/web/20100918010314/http://home.pages.at:80/onkellotus/TTK/German_Anonymous_TTK.html ▶︎ ▶︎ SEP 18 2010 ▶︎ ▶︎ Das Tao Te King ▶︎ ▶︎ von Lao Tse ▶︎ ▶︎ Dutch - German by ▶︎ ▶︎ Anonymous, 2005 ▶︎ ▶︎ more versions ▶︎ ▶︎ https://web.archive.org/web/20100413143426/http://home.pages.at/onkellotus/TTK/_IndexTTK.html ▶︎ ▶︎